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Geschichte der

Die OSCAR-Klasse

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Russische Typbezeichnung:

PLARK (Podvodnaya Lodka Atomnaya s Krylyatymi Raketami, U-Boot, nukleargetrieben mit Flügelraketen)

Russisches Projekt:

949A „ANTEY“

Russische Bezeichnung:

Atom-U-Bootskreuzer 1. Ranges

Russisches taktisches Zeichen für SSGN:

NATO-Designation:

SSGN (submarine guided missile, nuclear propulsition, U-Boot, nukleargetrieben mit Flügelraketen)

NATO-Klassenbezeichnung:

OSCAR-II-Klasse

 Die Atom-U-Bootskreuzer 1. Ranges Projekt 949 „GRANIT“ und Projekt 949 A “ANTEY“ (NATO: OSCAR-I und OSCAR-II-Klasse) stellen die direkten Nachfolger der flügelraketentragenden U-Boote und U-Schiffe der ersten und zweiten Generation der Sowjetischen Seekriegsflotte dar. Die Wurzeln dieser Entwicklung gehen bis in die späten vierziger Jahre zurück als versucht wurde, Flügelraketen (auch nach deutscher Grundkonstruktion) zu navalisieren, d.h. sie auf Über- und Unterwasserträger nutzbar zu machen. Im Ergebnis dieser Entwicklungslinie sind Versuchsboote entstanden, die aus vorhandenen U-Booten umkonstruiert und mit den entsprechenden Start- und Leiteinrichtungen nachgerüstet wurden. Diese trugen in druckdichten Behältern (einer, zwei oder vier) je eine Flügelrakete. Der taktische Einsatz dieser Fahrzeuge erwies sich aber als kompliziert. Für ozeanische Aufgaben waren diese Einheiten nicht verwendbar. In den fünfziger Jahren begann man, Unterwasserträger mit konventionellem und nuklearem Antrieb zu projektieren, die in speziellen hochklappbaren Doppelcontainern zwischen vier und acht Raketen transportieren und abfeuern konnten. Es entstanden zwischen 1960 und 1970 das Projekt 651 (NATO: JULIETT-Klasse), das Projekt 659 (NATO: ECHO-I-Klasse) und das Projekt 675 (NATO: ECHO-II-Klasse). Diese U-Boote stellten die erste Generation einsatzfähiger ozeanischer Trägerschiffe dar. Nachteilig erwies sich allerdings, dass das U-Boot zum Abfeuern der Raketen auftauchen musste, da ein Unterwasserschuss der verfügbaren Flugkörper nicht möglich war. Diese Möglichkeit besaßen die Nuklearboote der 2. Generation. Gefürchtet von der US-Navy, kamen in den siebziger Jahren folgende Klassen in den Flottenbestand: Projekt 670 „SKAT“ (NATO: CHARLIE-I-Klasse), Projekt 670 M „SKAT-M“ (NATO: CHARLIE-II-Klasse) und ein schnelles Einzelboot in Titanbauweise, das Projekt 661 „ANCHAR“ (NATO: PAPA-Klasse). Hauptziel des Einsatzes derartiger Waffensysteme mit konventionellen und nuklearen Sprengköpfen war der Angriff auf US-Flugzeugträgerkampfgruppen.

In den 70er Jahren erarbeitete das Konstruktionsbüro ‘”RUBIN” die Entwürfe für die 3. Generation (in westlichen Quellen wird auch von der 4. Generation gesprochen) von USchiffen mit Flügelraketen – das Projekt 949 „GRANIT“ (NATO: OSCAR-I-Klasse). Unter der Leitung des Chefkonstrukteurs P. P. Putsyntsev und ab 1977 E. L. Bazanov entstand der Entwurf eines der größten USchiffs-Klassen, die je die Meere befuhren und noch befahren. Sie umfasste zunächst 2 Einheiten, die K-525 „ARKHANGELSK“ und die K-206 „MURMANSK“. Beide wurden 1996 aus dem Bestand der Russischen Flotte gestrichen und aufgelegt. Als Nachfolgemodell ist das größere Projekt 949A „ANTEY“ (NATO: OSCAR-II-Klasse) in Fahrt gekommen: 11 Schiffe (zzgl. eine weitere Einheit z. Z. in der Erprobung) sind bisher in Dienst gestellt worden und befinden sich im Bestand der Nord- und der Pazifikflotte. Da diese taktischen Waffensysteme bei der Verhandlung strategischer Potentiale der Supermächte im Zuge der SALT-I- und SALT-II-Vertragswerke nicht offengelegt werden brauchten, sind Angaben über diese modernen Systeme sehr spärlich.

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Alle U-Boote der OSCAR-I und der OSCAR-II-Klasse sind in der großen Marinewerft SMP „Severnoe Mashinostroitel’noe Predpriyatie“ (Nördlicher Maschinenbaubetrieb - ehemals Werft 402) in Severodvinsk am Weissen Meer gebaut worden. Die Namen stammen von russischen Städten mittlerer Größe.

Taktische Bezeichnung Name

pennant number

Kiellegung

Stapellauf

In Dienst

Dislozierung

K-148 „KRASNODAR“

841

1980

08.1985

12.1986

Nordflotte

K-132 “IRKUTSK”

 

1983

03.1986

1986

Pazifikflotte

K-119 „VORONESH“

 

1985

29.12.1987

12.1988

Nordflotte

K-173 “KRASOYARSK”

 

1986

27.12.1988

1989

Pazifikflotte

K-410 “SMOLENSK”

816

1986

20.01.1990

1990

Nordflotte

K-442 “CHELYABINSK”

 

1986

15.06.1990

1990

Pazifikflotte

K-456 “VILYUCHINSK”
bis 1996 “KASATKA”

 

1987

06.1991

1991

Pazifikflotte

K-266 “OREL”, bis 1991 “SEVERODVINSK”

847

1988

05.1992

1993

Nordflotte

K-186 „OMSK“

 

1990

08.05.1993

27.10.1993

Pazifikflotte

K-141 „KURSK“

850

1990

23.05.1994

30.12.1994

Nordflotte

K-526 (?) “TOMSK”

 

1991

25.04.1996

02.1997

Nordflotte

K-530 “ORENBURG” (?)
auch „BELGOROD“

 

1994

09.1999

2000 (?)

(?)

Taktisch-Technische Daten des Projektes :

Körper:                                   Zweihüllenbauweise, 10 Abteilungen, 9 wasserdichte Schotten

Wasserverdrängung [t]:         10800 über Wasser; 13600 getaucht (westliche Angaben)
                                            13400 über Wasser; 18000 getaucht (inoffizielle russ. Daten)

L/B/T [m]:                              154/18,2/9,2 (Breite über achtere Stabilisatoren 20,1;
                                            Druckkörperdurchmesser 8,5

Tauchtiefe [m]:                       max. ca. 420, Grenztauchtiefe ca. 500

Antriebsanlage:                      2 Druckwasserreaktoren Typ OK-650b mit insgesamt
                                            190 MW Wärmeleistung
                                             2 Dampfturbinen Typ OK-9 mit insgesamt 98000 WPS
                                             2 Antriebswellen mit 2 siebenflunkigen Propellern
                                             2 Turbogeneratoren mit 3200 kW
                                             2 Dieselgeneratoren Typ DG-190
                                             2 Hilfsantriebe (geräuschminimiert)

Geschwindigkeit [kn]:             ca. 15 über Wasser, ca. 30 unter Wasser

Bewaffnung:                           24 Flugkörper 3M45 P-700 Komplex „GRANIT“ (NATO: SS-N-19
                                            „SHIPWRECK“), Startbehälter außerhalb des Druckkörpers
                                            4 533mm Torpedorohre
                                            2-4 650mm Torpedorohre
                                            Vorrat 24 Torpedos oder Raketen SS-N-15, SS-N-16

Autonomie:                            ca. 120 Tage Seeeinsatz

Besatzung:                            ca. 107 Mann, davon 52 Offiziere

Ausrüstung:                           ein Komplex für Satellitenfunkverbindung Typ „MOLNYA-M“,
                                            Navigationskomplex „MEDVEDITSA-949M“,
                                            Sonaranlagen MGK-540 und SKAT-3, Radar „TOBOL“l

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Die Hauptbewaffnung der OSCAR-Klassen bilden 24 Flugkörper 3M45 P-700 Komplex „GRANIT“ (NATO: SS-N-19 „SHIPWRECK“). Diese Rakete ist ca. 10m lang mit einem Durchmesser von ca. 0,85m und einem Startgewicht von 7000 kg. Angetrieben von 2 Startboostern und einem luftatmendem Turbojetantrieb, erreicht das Geschoss Überschallgeschwindigkeit mit einer Reichweite von ca. 300 sm (550 km). Sie kann mit einem konventionellen 750kg-Sprengkopf oder mit einem 500kt-Nuklearsprengkopf bestückt werden. Je 12 Startcontainer sind zwischen dem Druckkörper und dem Hüllkörper jeweils an Backbord- und Steuerbordseite fest mit einem Neigungswinkel von 40° eingebaut. Eine Klappe für je 2 Startcontainer sorgt für den Verschluss mit der Außenhaut des USchiffes. Die Reichweite dieser aus der Unterwasserlage startbaren Rakete liegt bei 300 sm (ca. 550 km). Es kann ein konventioneller oder ein nuklearer Gefechtskopf mitgeführt werden. Ein Salvenstart von mehreren Raketen (und der dazu notwendigen schnellen Austrimmung des Trägerschiffes) ist möglich. Vorhanden sind weiterhin 4 herkömmliche 533mm sowie 2 oder 4 650mm Torpedorohre. Eine breite Palette aus dem vorhandenen Arsenal von Torpedos, Raketentorpedos oder SLCM (submarine launched curise missile) steht zur Anwendung zu Verfügung. Es kann als sicher gelten, dass auch modernste Hochgeschwindigkeitswaffen für den Unterwasserkampf an Bord eingesetzt werden können - z.B. Torpedos mit 200 kn (!) Geschwindigkeit, sog. Unterwasserharpunen („SHKVAL“).

Die 6 Nordflottenboote K-148, K-119, K-410, K-266, K-141 und K-526 (?) befanden sich mit Stand 1997 im Bestand der 11. U-Bootsdivision im Stützpunkt Bolshaya Lopatka nahe Zapadnaya Litsa auf der Kola-Halbinsel. Diese ist zugehörig der 1. U-Bootsflottille (Basis Zapanaya Litsa). Einige Boote, so auch K-141 „KURSK“, können zwischenzeitlich in die Basis Vidyayevo in die 7. U-Bootsdivision verlegt worden sein. Die K-530 – möglicher Name „ORENBURG“ - kann im Jahr 2000 in Dienst kommen, z. Z. befindet sich das USchiff noch Erprobungsverhältnis. Die K-173 „KRASOYARSK“ ist 1998 vermutlich aus Kostengründen aus dem Bestand der Flotte genommen worden.

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Die „KURSK“:

Der Atom-U-Bootskreuzer 1. Ranges „KURSK“ machte seit seiner Indienststellung am 23.05.1994 genau so wenig Schlagzeilen, wie ihre Schwesterschiffe in der Nord- und in der Pazifikflotte (von einer kurzen Mittelmeervisite der K-526 „TOMSK“ abgesehen, die medienwirksam im Netz eines Fischers endete). Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion befand sich das moderne USchiff in einer ähnlichen Situation, wie vergleichbare andere Einheiten der nunmehr russischen Flotte: Fehlendes Geld, Probleme mit der Logistik, der Abgang von qualifiziertem Personal, wenig See- und Gefechtsausbildung und ein allgemeiner Motivationsmangel kennzeichneten die vergangenen Jahre. Die meiste Zeit verbrachte die „KURSK“ an der Pier im Stützpunkt. Im Zuge des Machtwechsels in Russland und der teils persönlichen Zuwendung des neuen Präsidenten Putin zum Militär ist eine erhöhte Anzahl von Flottenaktivitäten zu vermerken. Neben Manövern in den Küstengebieten sind vereinzelt wieder Begleitfahrten russischer Jagd-U-Boote hinter US-Schiffen bemerkenswert. Das atomgetriebene Jagd-U-Boot K-534 „PSKOV“ Projekt 945 „KONDOR“ (NATO: SIERRA-II-Klasse) absolvierte kürzlich einen erfolgreichen Langzeittörn im Nordatlantik.

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Bei der „KURSK“ gab es zwischenzeitlich weniger Aktivitäten. 1999 und 2000 ist das USchiff bei Seepatrouillen im Nordatlantik beobachtet worden. Ende Juli, Anfang August 2000 lief die „KURSK“ aus ihrem Stützpunkt wiederum aus, um ein befohlenes Planquadrat in der Barentssee zu erreichen. Am 12.08.2000, um 11.38 Uhr ereignete sich die Katastrophe: zwei Explosionen erschütterten den Rumpf des USchiffes im Bugbereich, was zu seinem sofortigen Absinken in die dortige Tiefe von ca. 108m führte. Die Besatzung wurde von dieser Detonation augenscheinlich völlig überrascht, es konnten keinerlei Rettungs- und kaum noch Kommunikationsmaßnahmen eingeleitet werden. Durch die Wucht der Detonationswelle und das schwallartig eindringende Wasser kann davon ausgegangen werden, dass der überwiegende Teil der Besatzung wenige Augenblicke nach dem Ereignis umkam.

Über die Ursache der Tragödie kursieren viele Spekulationen. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Unglück durch die „KURSK“ selbst verschuldet wurde, ist relativ hoch. Im Gegensatz zu der weithin verbreiteten Meinung ist die „KURSK“ nicht in das unmittelbare Manövergeschehen eingebunden gewesen, obwohl es in der fraglichen Zeit ja in See stand. Möglich sind Waffensystemerprobungen, das USchiff lief in der fraglichen Zeit mehrfach in den Stützpunkt, um Spezialisten und Besatzungsangehörige zu wechseln. D.h., die „KURSK“ musste nicht unbedingt in einem gefechtsmäßigem Zustand fahren, was zu einer Lockerung des Bordregimes und des Verschlusszustandes geführt haben könnte. Zum Unglückszeitpunkt befanden sich zwei Experten aus einem Herstellerwerk für Torpedos an Bord. Um welche Torpedos es sich dabei handeln könnte (herkömmliche 533mm-Torpedos, 650mm-Torpedos, Raketentorpedos, SLCM oder Hochgeschwindigkeitswaffen) ist noch nicht klar. Von den 118 Mann Besatzung waren weiterhin 5 Mann Stabspersonal einschließlich des Abteilungschefs der 7. U-Bootsdivision an Bord. Seismische Stationen in Norwegen registrierten zwei Detonatioen, so dass von einer Initialexplosion (mit Brand) und einer nachfolgenden Hauptexplosion auszugehen ist. Die letztere zerriss die gesamte Bugpartie, ließ vermutlich die ersten drei Abteilung sofort vollaufen, die nachfolgenden durch geöffnete oder aufgesprengte Schottdurchgänge innerhalb der nächsten Minuten. Nur so ist zu erklären, dass der Rumpf bis zur Abteilung 9 (hier befindet sich die achtere Rettungsluke) vollständig durchgewässert ist. Es gelang der Besatzung, den Reaktor herunterzufahren. Erfolgreiche Rettungsversuche gelang keinem Seemann mehr.

Die Kollision mit einem eigenen oder fremden Überwasser- oder Unterwasserschiff ist aus heutiger Sicht auszuschließen, das dieses ebenfalls erhebliche Beschädigungen bis zum Verlust der Schwimmfähigkeit davongetragen hätte. Die Koordinierung von westlichen U-Boot-Aktivitäten obliegt der SeaSpace-Zentrale, die die Planquadrate verteilt, in der sich westliche (Jagd-) U-Boote aufhalten. Es soll damit verhindert werden, dass einerseits mehrere U-Boote sich auf dasselbe Ziel aufschalten und andererseits die Boote bei ihren Aufgaben sich selbst behindern. Der Aussage der Royal Navy und der US-Navy kann durchaus Glauben geschenkt werden, dass ihre U-Bootskräfte sich zum fraglichen Zeitpunkt nicht unmittelbar im Unglücksgebiet befunden haben. Etwaige Beschädigungen wären im Nachgang kaum zu verheimlichen.

Quellen:

         „Voennye Korabli Rossii 1997-1998“, A. S. Pavlov, Yakutsk 1997

         “Warships of the USSR and RUSSIA 1945-1995”, A. S. Pavlov, London 1997

         „Weyers Flottentaschenbuch 1999/2001”, Werner Globke, Bonn 2000

         „Sowjetische Atom-U-Boote”, A. Antonow, W. Marinin, N. Waljujew, Berlin 1998

         „Handbuch der Warschauer-Pakt-Flotten“, Siegfried Breyer,

         http://www.bellona.no „Der BELLONA-Report“ (Internet)

         http://www.vmk.boom.ru/ships/submarines_all.html

         http://www.naval-technology.com/projects/oscar/index.html

 

Bildquellen:

http://www.vmk.boom.ru/ships/submarines_all.html 

Seekriegs-Kollektion

http://www.bellona.no

Bellona-Report

http://www.bellona.no/imaker?sub=1&id=4571

Bellona-Report – „KURSK“

http://www.flot.tsi.ru/catalog/index.htm

NavalWebRing Russland

http://www.vmk.boom.ru/ 

Seekriegs-Kollektion

http://www.fegi.ru/PRIMORYE/flot/index.htm

Bilder der Pazifikflotte

http://submarine.id.ru/

U-Boot-Flotte Russlands

http://www.navy.ru/ 

die Russische Marine

http://www.cfcsc.dnd.ca/links/milorg/russia.html

Militärmacht Russlands

http://www.milparade.com/

Rüstungsnews

http://www.naval-technology.com/projects/ 

Rüstungsprojekte

http://www.ckb-rubin.ru/

Konstruktionsbüro RUBIN

http://warships1.com/Russian_submarines.htm

  Kriegsschiffe der Welt

http://www.fas.org/nuke/guide/index.html 

Nuklearpotentiale der Welt

http://www.sevmash.ru/  

Die Nordwerft

http://members.tripod.com/avhi_3d/index.html

 3D-Militärmodelle